Der Garten im Winter

Der Garten lebt im Winter weiter

Ökotipp vom 15. Oktober 2008
von Barbara Gehring, Geschäftsführerin WWF Schaffhausen 

Der Herbst zeigt sich von seiner schönsten Seite. Der Morgen ist in sanftes Nebellicht gehüllt, am Nachmittag scheint die Sonne mit weichem Licht, farbige Blätter fallen lautlos zu Boden.
Mitten in dieser ruhigen Jahreszeit bricht aber vielerorts Hektik aus. Laub wird mit grässlich lauten Maschinen auf Haufen geblasen, die Rasenmäher knattern. Mit Rebschere und Hacke wird den letzten Pflänzlein der Garaus gemacht.
Der Garten ist für Herr und Frau Schweizer erst dann für den Winter vorbereitet, wenn kein Hälmlein mehr steht und kein Blättchen mehr den sauberen Rasen verunziert. Erst wenn alles kahl und leer ist, ist die Gartenwelt in Ordnung.
Für die Natur hat ein solcher Sauberkeitswahn fatale Auswirkungen.
Wo sollen die Kleintiere überwintern, wenn wir alles leer räumen und somit zerstören? Wo sollen die Marienkäfer, Schmetterlingspuppen, Spinnen, Hummelköniginnen und Wildbienen hin? Wo finden die Vögel im Winter Nahrung, wenn in den Gärten der totale Kahlschlag vorgenommen wird?

Ich habe selber einen Garten. Er zeigt sich momentan in den prächtigsten Herbstfarben. Und wenn ich genau hinschaue, stelle ich fest, dass noch viele Kleintiere und Insekten unterwegs sind. Auch Igelspuren finde ich. Und ich weiss, dass mein Garten auch im Winter weiterlebt.
Dementsprechend sanft sind meine Wintervorbereitungen. Sie sind nicht mit grossem Aufwand resp. Arbeit verbunden. Das meiste Laub reche ich zu grossen Haufen zusammen und lege zur Stabilisierung einige Äste oder Heckenschnitt darauf. Sie dienen Igel, Erdkröten und unzähligen anderen Tieren als Winterquartier. Das restliche Laub wische ich in die Hecke oder lasse es unter den Bäumen liegen. So ist der natürliche Kreislauf gewährleistet. Nicht nur die Regenwürmer sind dankbar dafür. Das was im Spätfrühling vom Laub übrig bleibt, wird kompostiert.

Die meisten Blumenstauden und Wildstauden bleiben über den Winter stehen. Sie sind willkommene Nahrung für Blaumeisen, Kohlmeisen, Distelfinke, Grünfinke und andere „Piepmätze“, die gern in meinen Garten zu Besuch kommen. In hohlen, genickten Pflanzenstengeln überwintert eine Vielzahl von Insekten. Und ich freue mich schon auf die bezaubernden Bilder, wenn Raureif auf den Pflanzen liegt.
Natürlich bleiben auch die Wiesenränder stehen, denn auch sie sind Winterquartiere.
Was uns unordentlich erscheint, hat in der Natur seine lebenswichtige Bedeutung.

Diese Art von Gartenphilosophie setzt aber ein neues Verständnis, einen anderen Umgang mit dem Garten voraus. Wer sich darauf einlässt, wird bald merken, dass es einfacher ist, mit der Natur zu arbeiten, statt gegen sie. Einen Naturgarten haben heisst aber nicht, ihn verwildern zu lassen. Im Gegenteil – gezielte Eingriffe sind nötig, damit sich die Artenvielfalt erhält. Immer orientieren sich die Arbeiten aber an der Natur, den Jahreszeiten und den natürlichen Kreisläufen. So entsteht ein Lebens- und Erlebnisraum für Menschen, Tiere und Pflanzen.

Und im Frühling, wenn alles wieder zu wachsen und zu spriessen anfängt, beginne ich voller Freude mit der Gartenarbeit und mache den neuen Pflanzentrieben Platz. 

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